Die Geschichte der Stadt Steyr
Zahlreiche Streufunde zeigen, daß die Gegend
um Steyr schon in frühester Zeit besiedelt war, wenn sich
auch eine vorgeschichtliche Siedlung im Stadtgebiet nicht nachweisen
läßt. Um 600 v. Chr. wanderten die Kelten ein, die
als erste das Eisen des Erzberges abbauten. Der Name Steyr entstammt
der keltischen Sprache (Stiria) und bezeichnet den gleichnameigen
Fluß. Die Römer brachten das Eisen, das sie das "Norische"
nannten, auf der alten Eisenstraße zu ihrer Schilderfabrik
nach Lauriacum. Vermutlich stand auf dem Felsen über dem
Zusammenfluß ein röm. Wachtturm, noch heute heißt
der Turm des Schloßses "Römerturm".
Im 6. Jhdt. wurde das Gebiet von bairischen Stämmen
besiedelt und gehörte später zum Rodungsbezirk des 777
vom Bairernherzog Taßsilo gegründeten Kloster Kremsmünster.
Zum Schutze des Reiches gegen die Einfälle der Ungarn wurden
um 900 an der Enns zwei wehrhafte Burgen errichtet, die Burg zu
Enns und die "Styraburg", die 980 erstmals urkundlich
erwähnt wurde. Die Erbauer der Burg waren die Grafen von
Wels-Lambach, die Besitzungen im Traungau und in der Karantanischen
Mark (Obersteiermark) hatten.
1055 traten die aus dem Chiemgau stammenden Otakare
deren Erbe an. Das Wappentier der Otakare war der weiße
Panther. Durch Erbschaften und kluge Heiratspolitik - Otakar II
war mit einer Babenbergerin vermählt - vergößerten
sie ihre Besitzungen in der Steiermark beträchtlich. Hier
lag auch der Erzberg, dessen Abbau von den Otakaren intensiv gefördert
wurde. Die Machtstellung der Otakare zeigte sich in einer prächtigen
Hofhaltung. Die Styraburg war nicht nur der Schauplatz ritterlichen
Lebens, sondern auch Ort der Pflege edler Künste. In den
beiden mittelhochdeutschen Epen "Biterolf und Dietleib"
und "König Laurin" wird der Burg zu Steyr ein literatrisches
Denkmal gesetzt. 1180 wurde Otakar IV, der letzte seines Geschlechtes,
von Kaiser Friedrich Barbarossa in den Herzogstand erhoben. 1186
vermachte Otakar IV, krank und kinderlos, in feierlichem Erbvertrag
auf dem Georgenberg zu Enns Burg und Herrschaft Steyr den Babenbergern.
Steyr verlor seine Bedeutung als Herzogsitz, seine
Rolle als Verarbeitungs- und Handelszentrum für das "Innerberger
Eisen" blieb jedoch erhalten. Das in Innerberg, dem heutigen
Eisenerz, geförderte "Schwarze Metall" nahm schon
im frühen Mittelalter seinen Weg durch das Tal der Enns zur
Donau und ließ so eine der ältesten Industrielandschaften
Europas, die "Eisenwurzen", entstehen. Begünstigt
durch seine einmalige verkehrspolitische Lage und seine Bedeutung
als Residenz unter den Otakaren, entwickelte sich Steyr zum wirtschaftlichen
und kulturellen Zentrum dieses frühmittelalterlichen Industriegebietes.
Unter den Babenbergern erfolgte der Aufstieg der Stadt zur Eisenmetropole
nördlich der Alpen. Handwerker, vor allem Waffen- und Rüstungsschmiede,
hatten am Fuße der Burg Schutz und Lebensraum gefunden.
1170 wird Steyr als "Urbs", städtische Siedlung,
bezeichnet.
Nach dem Aussterben der Babenberger 1246 begannen
für die Stadt schwere Zeiten. Unter den Habsburgern wurde
Steyr 1254, als Folge des Friedens von Ofen, von seiner Mark und
damit von seiner wirtschaftlichen Basis, dem Erzberg, getrennt
und zum Lande ob der Enns geschlagen.
Am 23. August 1287 bestätigte Herzog Albrecht
I der Stadt die alten Rechte im Handel und in der Verarbeitung
des Innerberger Eisens. In diesem "Großen Privileg"
wurde den Steyrer Bürgern unter andern das Stapelrecht für
Holz und Eisen gewährt. Drei Tage lang mußten diese
Rohstoffe den Steyrer Bürgern zu einem bevorzugten Preis
angeboten werden, ehe sie ihren Weg zur Donau fortsetzen durften.
Das machte Stadt und Bürger reich und versetzte sie in die
Lage, bedeutende Künstler aus Deutschland, Böhmen und
Italien einzuladen, um zu bauen und Kunstwerke zu schaffen. Handelsbeziehungen
Steyrer Eisenhändler mit Deutschland und Osteuropa sind seit
1190 belegt. Eine besondere Rolle spielte der Handel mit Venedig.
Steyr gehörte damals zu jenen neun deutschen Städten,
die in Venedig ein eigenes Handelskontor unterhielten. Steyrer
Eisenwaren stellten auf dem großen Markt Venedig einen begehrten
Artikel dar, und das Punzel mit dem Steyrer Panther war damals
ein Zeichen für Qualität "Made in Steyr".
Das rasche Aufblühen der Stadt im 14. Jhdt. förderte
den Zuzug von Handwerkern hauptsächlich aus Nürnberg.
Neben Harnischmachern und Klingenschmieden waren es vor allem
Messerer, deren Zunftbrief von 1406 zu den ältesten Österreichs
gehört. Die SteyrerMesserer waren tonangebend im gesamten
süddeutschen Raum. Mitte des 15. Jhdt. erreichte die Stadt
ihren wirtschaftlichen Höhepunkt. Steyr war damals neben
Wien die wohlhabendste und vornehmste Stadt Österreichs.
Die weitreichenden und innigen Handelsbeziehungen
Steyrs zu den bedeutendsten Handelszentren Europas machten die
Bewohner empfänglich für neue Ideen und Strömungen.
Die Lehre Luthers - 1525 vom Barfußmönch Calixt in
der Stadt verbreitet - wurde von den Steyrern beifällig aufgenommen.
Fast geschloßsen traten die Bürger und Handwerker zu neuen
Glauben über. Am Beginn der Gegenreformation gab es in der
Stadt nur mehr 18 katholische Familien. Steyr erlebte in dieser
Zeit eine kulturelle Blüte und gehörte zu jenen wenigen
Städten Österreichs, in denen der Meistergesang gepflegt
wurde, der erst in den Wirren der Gegenreformation verstummte.
In diesem Jahrhundert begannen sich die ersten Anzeichen
für den Niedergang des Eisenwesens bemerkbar zu machen. Es
mehrten sich damals die Klagen der Handwerker, daß die Eisenhändler
den guten Stahl gewinnbringend im Ausland verkauften und dem ansässigen
Gewerbe nur zweitklassige Ware übrigblieb. 1583 kam es daher
zur Gründung der Eisenhandlungskompanie, die dem unlauteren
Handel ein Ende bereiten sollte. Die in sie gesetzten Erwartungen
erfüllten sich jedoch nicht. Der Ausbruch des Dreißigjährigen
Krieges, Gegenreformation und der große oberösterreichische
Bauernkrieg - zwei seiner Drahtzieher waren Steyrer Bürger
- führten zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt. Die
Verpfändung waren Oberösterreichs an Baiern 1620 und
die rigorosen Maßnahmen der Gegenreformation unter Graf
Herberstorff, die im Frankenburger Würfelspiel ihren Höhepunkt
fanden, führten zur Erhebung der Bauern 1626. Mit 40.000
Bauern kam der Führer der Aufständischen, Stefan Fadinger,
nach Steyr, wo er in Stadtrichter Wolfgang Madlseder und Dr. Lazarus
Holzmüller wichtige Verbündete fand. Nach der Niederschlagung
des Aufstandes wurden die Rädelsführer enthauptet und
gevierteilt. Die Einquartierung von Truppen, die dadurch entstehenden
Kosten, die katastrophale Wirtschaftslage und der 1625 ergangene
Ausweisungsbefehl für Protestanten hatte die Auswanderung
von 228 Steyrer Familien zur Folge. Viele sahen ihre einzige Hoffnung
in der Emigration. Es waren Steyrer Messerer, die die berühmte
Solinger Stahlwarenerzeugung gründeten. Diese Entwicklung
wirkte sich auch fatal auf das Eisenwesen aus. 1620 warteten 300.000
Zentner Stahl in Steyr auf ihre Abnehmer. Um das darniederliegende
Eisenwesen zu beleben, kam es 1625 zur Gründung der "Innerberger
Hauptgewerkschaft", der Vereinigung von Radmeistern, Hammerherren
und Eisenhändler zu einem Konzern, aus dem später die
Alpine Montangesellschaft hervorgehen sollte.
Mit dem Barock erlebte die Stadt nach der Türkengefahr
ein neues Aufblühen. Der Großhandel mit dem Eisen war
zwar versiegt, die Verarbeitung des steirischen Eisens währte
aber fort. In dieser Zeit entstanden in Steyr einige interessante
Bauten, wie die Michaelerkirche oder die Wallfahrtskirche von
Christkindl am Rande der Stadt. In der Josefinsichen Zeit, die
nicht nur durch die Klosteraufhebungen geprägt wurde, machte
sich in Steyr eine wirtschaftliche Aufwärtsbewegung bemerkbar.
Durch die Umwandlung von bestehenden Handwerksbetrieben und die
Gründung neuer Werkstätten wurde der Grundstein für
die spätere Industriealisierung der Stadt gelegt.
Am 29. August 1727 wurde Steyr von einer verheerenden
Feuersbrunst heimgesucht, die nicht nur große Teile der
Altstadt, sondern auch die Styraburg mit ihren Giebeln, Türmen
und Erkern vernichtete. Aus den Trümmern der mittelalterlichen
Burg stand das barocke Schloß Lamberg auf, neu und schön,
wie der Vogel Phönix aus der Asche. In der Zeit der Franzosenkriege
wurde die günstige Entwicklung der Steyrer Wirtschaft jäh
unterbrochen. Innerhalb von 10 Jahren wurde Steyr dreimal von
den Franzosen besetzt: 1800, 1805 und 1809.
Die Wiege der Steyrer Großindustrie lag an
dem im Mittelalter angelegten System von Flußläufen
im Mündungsgebiet der Steyr, dem Wehrgraben. Im 18. Jhdt.
begannen hier ansässige bürgerliche Meister mit der
Erzeugung von Säbeln, Bajonetten und Gewehrbestandteilen.
1830 gründete Leopold Werndl einen Betrieb, in dem er mit
450 Arbeitern Gewehrbestandteile erzeugte. Dem Sohn, Josef Werndl,
gelang der große Schritt vom einfachen Unternehmer zum Großindustriellen.
In wenigen Jahren baute er die Fabrik seines Vaters zu einer der
größten und modernsten Waffenfabriken der Welt aus.
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